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Patientenverfügung

Die Patientenverfügung der INSEL Leonberg beruht auf einem Formulierungsvorschlag der Esslinger Initiative e.V. und ist die Grundlage für eine persönliche Patientenverfügung! Es gibt kein amtlich vorgeschriebenes Formular. Auch der von der INSEL Leonberg angebotene Text ist nicht wörtlich verbindlich, sondern kann frei nach den persönlichen Vorstellungen und Wünschen verändert werden, also: Nicht Zutreffendes streichen! Bei Bedarf ergänzen!

1. Ziel und Zweck einer Patientenverfügung (Reichweite)

Eine Patientenverfügung ist der persönliche niedergeschriebene oder mutmaßliche Wille, welche medizinischen Maßnahmen - gemeint sind bestimmte Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe - angewandt oder unterlassen werden sollen, falls man selbst dauerhaft nicht mehr zu entscheiden in der Lage ist. Sie stellt also eine persönliche Willenserklärung dar. Der folgende Satz ist also entscheidend:

Für den Fall, dass ich durch Krankheit oder Unfall meine Urteils- und Entscheidungsfähigkeit (= Einwilligungsfähigkeit) nach ärztlicher Einschätzung aller Wahrscheinlichkeit nach auf Dauer verloren habe…

Natürlich kann man nicht alle möglichen Krankheiten beschreiben, auf die eine Patientenverfügung passen könnte. Man kann aber die Reichweite einer Patientenverfügung festlegen. Sie soll zum Beispiel gelten für

  • den unmittelbaren Sterbeprozess: 
wenn man sich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar und unmittelbar im Sterben befindet, wobei der Todeszeitpunkt bereits absehbar ist.
  • eine tödlich verlaufende Krankheit: 
wenn man sich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befindet, selbst wenn der Todeszeitpunkt nicht absehbar ist.
  • die Folgen einer Gehirnschädigung:
 wenn man in Folge einer Gehirnschädigung seine Fähigkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, aller Wahrscheinlichkeit nach unwiederbringlich verloren hat. Dies betrifft nur Gehirnschädigungen mit dem Verlust der Fähigkeit, Einsichten zu gewinnen, Entscheidungen zu treffen und mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Es handelt sich dabei häufig um Zustände von Dauerbewusstlosigkeit oder um Wachkoma-ähnliche Krankheitsbilder, die mit einem vollständigen oder weitgehenden Ausfall der Großhirnfunktionen einhergehen. Diese Patienten sind unfähig zu bewusstem Denken, zu gezielten Bewegungen oder zur Kontaktaufnahme mit anderen Menschen, während lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung, Darm- oder Nierentätigkeit erhalten sind, wie auch möglicherweise die Fähigkeit zu Empfindungen. Wachkomapatienten sind bettlägerig, pflegebedürftig und müssen künstlich mit Nahrung und Flüssigkeit versorgt werden. In seltenen Fällen können sich auch bei Wachkomapatienten nach längerer Zeit noch günstige Entwicklungen einstellen, die ein weitgehend eigenständiges Leben erlauben. Eine sichere Voraussage, ob die betroffene Person zu diesen wenigen gehören wird oder zur Mehrzahl derer, die ihr Leben lang als Pflegefall betreut werden müssen, ist bislang nicht möglich.
  • die Folgen eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses: 
wenn man in Folge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (z.B. einer Demenzerkrankung) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage ist, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu sich zu nehmen. Dies betrifft Gehirnschädigungen, wie sie am häufigsten bei Demenzerkrankungen (z.B. Alzheimersche Erkrankung) eintreten. Im Verlauf der Erkrankung werden die Patienten zunehmend unfähiger, Einsichten zu gewinnen und mit ihrer Umwelt verbal zu kommunizieren, während die Fähigkeit zu Empfindungen erhalten bleibt. Im Spätstadium erkennt der Kranke selbst nahe Angehörige nicht mehr und ist schließlich auch nicht mehr in der Lage, trotz Hilfestellung Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu sich zu nehmen.

2. Erwartungen auf Grund des Selbstbestimmungsrechts

Wenn es darum geht, ein erträgliches und bewusstes Leben zu erhalten, werden optimale medizinische, ggf. intensivmedizinische Maßnahmen und Mittel erwartet. Es muss daher klar ausgedrückt werden, unter welchen Bedingungen kein erträgliches Leben mehr gegeben ist. Dann werden menschenwürdige Unterbringung, Schmerz- und Palliativtherapieerwartet, ggf. auch die Linderung von Beschwerden durch bewusstseinsdämpfende Medikamente erwartet.

3. Verzicht auf medizinische lebenserhaltende und lebensverlängernde Maßnahmen – der wesentliche Kern einer Patientenverfügung

Wenn aber nach ärztlicher Einschätzung kein erträgliches und bewusstes Leben mehr möglich ist, will man in aller Regel vermeiden, dass medizinische Maßnahmen ergriffen werden, die man nicht mehr als (über-) lebenswichtig ansieht. Daher konzentriert sich eine Patientenverfügung auf die Forderung, dass auf Maßnahmen verzichtet wird, die nur noch eine Leidens- und Sterbensverlängerung bedeuten würden. Natürlich können einige medizinische Maßnahmen, wie z.B. Sauerstoffgabe, Schmerz- und Palliativtherapie, nicht unter den Verzicht fallen, denn sie dienen der Förderung der Lebensqualität - auch in der letzten Lebensphase.
Doch lediglich von „lebensverlängernden Maßnahmen“ zu sprechen kann der Klarheit wegen nicht genügen (die Gerichte fordern die Klarheit und Eindeutigkeit!). Also muss man im Einzelnen ausführen, welche medizinischen Maßnahmen man meint, zum Beispiel den Verzicht auf:

  • künstliche Ernährung (z.B. über eine Magensonde):
 Das Stillen von Hunger (und auch Durst) als subjektive Empfindung gehört zu jeder lindernden Therapie. Viele schwerkranke Menschen haben allerdings kein Hungergefühl; dies gilt praktisch ausnahmslos für Sterbende und wahrscheinlich auch für Wachkomapatienten.
  • künstliche Flüssigkeitszufuhr:
 Das Durstgefühl ist bei Schwerkranken zwar länger als das Hungergefühl vorhanden, aber die künstliche Flüssigkeitsgabe hat nur sehr begrenzten Einfluss darauf. Viel besser kann das Durstgefühl durch Anfeuchten der Atemluft und durch fachgerechte Mundpflege gelindert werden. Die Zufuhr großer Flüssigkeitsmengen bei Sterbenden kann schädlich sein, weil sie u. a. zu Atemnotzuständen in Folge von Wasseransammlung in der Lunge führen kann.
  • Gabe von Antibiotika:
 z.B. bei Lungenentzündung und lediglich dann, wenn dies zur Sicherung oder Verbesserung der aktuellen Lebensqualität (auch im Sterbeprozess) zwingend notwendig ist.
  • Gabe von Blut oder Blutbestandteilen: 
Ebenfalls lediglich dann, wenn dies zur Sicherung oder Verbesserung der aktuellen Lebensqualität (auch im Sterbeprozess) zwingend notwendig ist,
  • künstliche Beatmung: 
Vorausgesetzt, dass Medikamente zur Linderung der Luftnot gegeben werden.
  • Dialyse (Blutwäsche):
 Keine Einleitung oder Durchführung.
  • Wiederbelebung:
 Viele medizinische Maßnahmen können sowohl Leiden vermindern als auch Leben verlängern. Das hängt von der jeweiligen Situation ab. Wiederbelebungsmaßnahmen sind nicht Leiden mindernd, sondern dienen ausschließlich der Lebenserhaltung. Gelegentlich kann es im Rahmen von medizinischen Eingriffen (z.B. Operationen) zu kurzfristigen Problemen kommen, die sich durch Wiederbelebungsmaßnahmen ohne Folgeschäden beheben lassen.
  • fremde Gewebe oder Organe:
 Ausschluss einer Transplantation.

Der Verzicht auf solche medizinischen Maßnahmen bedeutet in aller Regel, dass man daraufhin stirbt. Dies ist aber ein natürlicher Tod (erlaubte „passive Sterbehilfe“). Es ist also eine persönliche Entscheidung, auf welche dieser Maßnahmen man verzichtet haben will. Eine optimale Schmerztherapie und ggf. eine optimale Palliativtherapie, d.h. eine Therapie zur Linderung und zum Erträglichmachen des Zustandes, werden erwartet, wenn eine Heilung aus ärztlicher Sicht ausgeschlossen ist, werden erwartet. Entscheidend ist die Linderung belastender Zustände.

4. Ergänzende Wünsche und Anordnungen

Hier kann man all das unterbringen, was über die medizinischen Maßnahmen hinaus zu beachten ist, z.B. ob man in der Sterbephase eine seelsorgerliche Sterbebegleitung wünscht und ggf. welche, oder wie man bestattet werden will usw. Wenn Sie Ihre persönlichen Wertvorstellungen formulieren wollen (nicht zwingend erforderlich, aber vertrauensbildend), ist hier der geeignete Platz.

5. Besondere Festlegung

Für den Fall, dass die Patientenverfügung nicht hinreichend konkret auf die vorliegende Situation anwendbar und der Behandlungswunsch nicht realisierbar ist, kann man die Ermittlung des mutmaßlichen Willens und die sinngemäße Anwendung der Patientenverfügung fordern, um zu erreichen, dass der Patientenverfügung trotzdem Geltung verschafft wird (salvatorische Klausel).

6. Vertrauensperson

Für den behandelnden Arzt kann es wichtig sein zu erfahren, wer die Vertrauensperson(en) ist/sind und wie er sie erreichen kann. Die Benennung einer Vertrauensperson dient vorrangig dazu, dass jemand Auskunft über den persönlichen Willen und Wünsche geben kann. Sie muss aber nicht notwendigerweise auch bevollmächtigt sein. Die Unterschrift dieser Person soll die Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit des Verfassers der Patientenverfügung beglaubigen.

7. Hinweis auf eine bereits bestehende Vorsorgevollmacht

Bevollmächtigte sind besondere Vertrauenspersonen. Wenn bereits eine Vollmacht vorliegt, dann kann man den/die Bevollmächtigten hier eintragen. Wenn noch keine Vollmacht erstellt ist, bleibt dieser Teil der Patientenverfügung offen.

8. Beratung

Eine persönliche Beratung ist zwar nicht vorgeschrieben, jedoch ist ein entsprechender Hinweis sehr nützlich, um die Glaubwürdigkeit der getroffenen Aussagen zu stützen.

9. Hausarzt

Es ist nützlich und empfehlenswert (wenn auch nicht vorgeschrieben), dass man die Patientenverfügung mit dem Hausarzt/der Hausärztin bespricht und nach Möglichkeit von ihm/ihr unterzeichnen lässt. Auch dies ist keine verpflichtende Bedingung, ist aber als vertrauensbildende Maßnahme für den (später) behandelnden Arzt von Bedeutung. Bei dieser Gelegenheit kann man den Hausarzt/die Hausärztin von der Schweigepflicht entbinden.

10. Unterzeichnung

Mit der Unterschrift wird die Patientenverfügung gültig. Es empfiehlt sich, dass die Patientenverfügung in Gegenwart einer Vertrauensperson oder eines Bevollmächtigten unterschrieben und von diesem gegengezeichnet wird.

11. Notarielle Beurkundung

Die persönlichen Auffassungen können sich im Laufe der Zeit ändern. Darum sollte die Patientenverfügung nicht notariell beurkundet werden, damit jederzeit Änderungen angebracht werden können.

12. Vorsorgeausweis

Es sollte unbedingt stets ein ausgefüllter und unterzeichneter Vorsorgeausweis mitgeführt werden. Neben dem Hinweis auf den Besitz einer Patientenverfügung (ggf. auch Vollmacht) sollte er die Namen und Telefonnummern der Vertrauensperson(en) bzw. Bevollmächtigten und des Hausarztes tragen. Dieser Ausweis sollte unmittelbar hinter dieKrankenversicherungskarte gesteckt werden, damit er bei Bedarf rasch gefunden wird.

13. Hinterlegung der Verfügung

Man braucht die Patientenverfügung nicht ständig mit sich zu führen. Jedoch sollte sie zu Hause rasch und ohne Mühe auffindbar sein. Kopien können an die wichtigsten Personen - auf jeden Fall auch an den Hausarzt - verteilt werden.

14. Aktualisierung

Es ist nützlich und empfehlenswert (wenn auch nicht vorgeschrieben), dass die Patientenverfügung regelmäßig auf Übereinstimmung mit Ihrem aktuellen Willen überprüft und neu unterzeichnet wird. Ob dies, wie empfohlen, jedes Jahr geschieht, ist eine persönliche Entscheidung. Zu bedenken ist, dass eine in nicht zu großen Abständen erfolgte Aktualisierung eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme für die Patientenverfügung darstellt.

15. Schlussbemerkungen

Wenn die Patientenverfügung maschinell erstellt (z.B. am PC) und ausdruckt wird, dann sollte unmittelbar vor der Unterschrift ein von Hand geschriebener Satz eingefügt werden, etwa der Art: „Ich habe diese persönliche Patientenverfügung eigenhändig am PC erstellt.“ Dadurch zeigt man, dass man keine vorgefertigte Patientenverfügung ungeprüft übernommen hat.

Eine Patientenverfügung ist verbindlich, wenn die dazu getroffenen Festlegungen auf die vorliegende Lebens- und Behandlungssituation zutreffen und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene seine Entscheidung geändert hat.